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Steile Felswände, tosende Wasserfälle, dunkle Grotten und Grüne Feen verleihen dieser Wanderung im sagenumwobenen Val-de-Travers einen mystischen Touch.

 

Mönche, Dichter und Feen

Vom Bahnhof in Môtiers sind es nur wenige Schritte bis zur Grande Rue, dem malerischen Dorfzentrum. Ein kleiner Schlenker an der Kirche vorbei zum Benediktinerkloster birgt die erste Überraschung. In den alten Gewölben stellt die Familie Mauler seit bald 200 Jahren ihren bekannten Vin mousseux her. Der Schaumwein muss warten, erst wird gewandert! Auch das Maison de l’Absinthe, welches die Geheimnisse der Grünen Fee lüftet, und das Musée Jean-Jacques Rousseau bleiben vorerst unbesucht. Immerhin, der erste Wegpunkt dieser Wanderung ist dem bekannten Dichter und Philosophen gewidmet. Rousseau hat in seinem hiesigen Exil zwischen 1762 und 1765 die Cascade und die Grotte de Môtiers am Waldrand öfters besucht und in seinen Werken verewigt. Eine grosse Gedenktafel am Fusse des Wasserfalls erinnert an diese Begebenheit.

 

Schauderhaft schön

Um Höhenmeter einzusparen, wird von der Höhle ein paar Meter demselben Weg zurück gefolgt. Der Aufstieg rechts vom Wasserfall bleibt somit unbeachtet. Entlang des Baches, vorbei an einer zauberhaften Quelle, wird nach 10 Minuten der Park- und gedeckte Rastplatz am eigentlichen Eingang der Schlucht Pöeta-Raisse (auf Karten auch als Pouetta Raisse bezeichnet) erreicht. Der in deutschen Ohren nahezu romantisch klingende Name bedeutet im örtlichen Dialekt «schlechtes Sägewerk». Das mystische Kleinod hätte einen schöneren Namen verdient, auch wenn dem Val-de-Travers ein zweifelhafter Ruf anhaftet. Der hier destillierte Absinth-Schnaps aus Wermutskraut (Artemisia absinthium), Anis und Fenchel war ab 1915 in Europa und den USA während fast 100 Jahren verboten.

Eine knappe Stunde reine Gehzeit wird für die Strecke vom Parkplatz bis zur Abzweigung kurz vor der Brücke beim Punkt 1012 benötigt. Wer heute mit offenen Augen durch die Schlucht wandert, findet in einem hölzernen Kästchen Absinth, auch «Grüne Fee» genannt, zum Degustieren. Es ist empfehlenswert, nicht allzu tief ins Glas, bzw. den Plastikbecher zu schauen, denn der weitere Wegverlauf erfordert Konzentration und Trittsicherheit.

 

Im Waadtland

Gleich nach der Brücke wird die Kantonsgrenze überschritten. Auf Neuenburg folgt der Kanton Waadt. Die Schlucht wird enger, der Weg wird schmaler und gleichzeitig auch verwunschener. Mit Moos überwachsene Steine säumen den Bachlauf und steile Felswände machen das Durchkommen abenteuerlicher. In Stein gehauene Tritte und Holzbretter erleichtern das Vorwärtskommen. Die Feuchtigkeit macht diese jedoch sehr glitschig. Die an diesen Stellen durchgehend angebrachten Handläufe sind ein Segen. Noch einmal wird ein gut ausgebauter Unterstand mit Tischen und Grillmöglichkeiten passiert, bevor beim Punkt 1131 der Zauber etwas unvermittelt vorbei ist.

Weil der letzte Teil so schön war, wird hier umgedreht und vom Schluchtausgang 20 Minuten zurück zu der Brücke nach dem Punkt 1012 gewandert. Beim Wegweiser wird der linke Pfad in Richtung Le Breuil und Château de Môtiers eingeschlagen. Ohne nennenswerte Schwierigkeiten führt der Wanderweg an den Waldrand und schliesslich über die Rue Jean-Jacques Rousseau zurück in den Dorfkern, wo hoffentlich noch genügend Zeit für ausgiebige Museumsbesuche bleibt.

Karte DE
50

Môtiers, NE – Cascade und Grotte de Môtiers – Poëta-Raisse – Château de Môtiers – Môtiers

 

Start Môtiers, NE
Ziel Môtiers, NE

Anreise

Mit dem Zug nach Môtiers, NE.
Rückreise

Mit dem Zug ab Môtiers, NE.

Charakteristik

Kurzweilige Schluchtwanderung mit zahlreichen Wasserfällen, schmalen Wanderpfaden und imposanten Felsstufen.

Route

Môtiers, NE 735 m ü. M. – Grotte de Môtiers 814 m ü. M. – Parkplatz 758 m ü. M. –Pouetta Raisse 1059 m ü. M. (Abzweigung) – Pouetta Raisse 1131 m ü. M. (Schluchtausgang) – Pouetta Raisse 1059 m ü. M. (Abzweigung) – Le Breuil 973 m ü. M. – Château de Môtiers 844 m ü. M. – Môtiers, NE 735 m ü. M.

Zeit

ca. 3,5 Stunden

Distanz

10,5 km

Höhendifferenz

Aufstieg 500 Hm, Abstieg 500 Hm

Ausrüstung Normale Wanderausrüstung, Schuhe mit gutem Profil, evtl. Wanderstöcke, Picknick (Feuerstellen unterwegs).
Varianten Wer längere Wanderungen bevorzugt, kehrt nicht nach Môtiers zurück, sondern wandert ab dem Schluchtausgang weiter über den Chasseron nach Sainte-Croix (total ca. 5,5 Stunden).
Verpflegungsmöglichkeiten Restaurant Les Six-Communes in Môtiers.
Wanderkarten Wanderkarte 241T Val de Travers 1:50’000 oder Landeskarten 1163 Travers und 1183 Grandson 1:25’000
Info www.myvaldetravers.ch www.neuchateltourisme.ch www.maison-absinthe.ch
Geheimtipps Das Val-de-Travers birgt eine Vielfalt spannender Museen. Als Abschluss dieser Wanderung bietet sich ein Besuch inkl. Degustation im Maison de l’Absinthe an.

 

Valérie Chételat

Fotografin und Wanderleiterin mit eidg. Fachausweis, leitet Wanderungen, Schneeschuhtouren und Trekkings im In- und Ausland.

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